Open Science für Öffentliche Bibliotheken: nutzloser Trend oder sinnvolles Arbeitswerkzeug?

Was  Open Science auf wissenschaftlicher Ebene meint, ist meistens klar. Aber wie sieht das eigentlich mit Öffentlichen Bibliotheken aus? Dieser Frage gingen Jasmin Blankenheim und Natalia Kiseleva auf dem Open Science Barcamp nach. Sie sprachen mit Kommiliton:innen, die in öffentichen Bibliotheken arbeiten und erfuhren, dass es Open Science dort so nicht gibt. Der Fokus liegt viel mehr auf dem Bildungsaspekt, genauer gesagt: Open Education. Da könnte man sich fragen, ist dies nicht sogar ein erster Schritt zu Open Science?

Was machen Öffentliche Bibliotheken auf einem Open Science Barcamp?

Diese Frage stellte sich die sehr kleine Diskussionsrunde gleich bei der Begrüßung und befürchtete, die Diskussion würde mit der Aussage „Open Science gibt es nicht in Öffentlichen Bibliotheken“ enden. Die Aussage fiel mit als Erstes und für einen Moment fragte sich Jede:r, wie es nun überhaupt zu einer Diskussion kommen könne. „Öffentliche Bibliotheken befassen sich mehr mit Open Education“, sagte ein Kommilitone mit Praxiserfahrung. Er erklärte kurz, wie sich Open Education gestaltet. Immer noch gab es keinen Zusammenhang zu Open Science, auch nicht, als der Einwurf kam, Citizen Science wäre eine Form von Open Science. „Ja, schon“, hieß es, „aber Citizen Science hat sich noch nicht standardmäßig etabliert“. Die Ressourcen fehlen. Öffentliche Bibliotheken handeln für die Öffentlichkeit. Sie müssen begründen, welche Arten von Veranstaltungen sie durchführen wollen. Wie soll sich Open Science also in einer Öffentlichen Bibliothek begründen lassen? Open Science hat einen wissenschaftlichen Fokus, Open Education einen Bildungsfokus. Da stellt sich die Frage, ist Open Education nicht bereits ein Vorreiter von Open Science? Gibt es überhaupt einen Zusammenhang, außer dass beides offen zugänglich sein soll?

Wir denken: Ja.

Open Education im Zusammenhang von Open Science

Open Education kann zu Open Science führen. Natürlich liegt ein großer Weg dazwischen. Wenn ich Bildung erfahre, bin ich noch lange kein:e Wissenschaftler:in. Aber ich kenne die Vorteile. Wenn mir Open Education eine Hilfe war, wieso sollte ich mich dann vor Open Science sträuben? Reicht das alleine, um Open Science vor allem in Öffentlichen Bibliotheken ansatzweise begründen zu können?

Artikel 5 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes sagt “Jeder hat das Recht […] sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten”. Daran orientieren sich Öffentliche Bibliotheken und darin sehen wir die Begründung. Wissenschaftliche Quellen sind nicht für jede:n ungehindert zugänglich. Bibliothekar:innen, die sich nicht spezifisch mit wissenschaftlichen Informationsmitteln beschäftigt haben, können diese auch nicht einfach empfehlen. Doch die Aufgabe einer Öffentlichen Bibliothek liegt darin, den Bürger:innen Informationen verfügbar zu machen. Wissenschaftliche Quellen gehören mit zu diesen Informationen.

In der Theorie leuchtet das ein, aber ist das schon in der Praxis angekommen?

Open Science an Öffentlichen Bibliotheken in der Praxis – Beispiele

Wir haben uns einige Öffentliche Bibliotheken rausgesucht, welche ein Open-Science-Angebot stellen. Niederländische Plusbibliotheken – das sind Öffentliche Bibliotheken mit wissenschaftlicher Unterstützungsfunktion – haben sich zum Ziel gesetzt, hochwertige wissenschaftliche Literatur für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies deckt eine Reihe von Bereichen ab, die von der traditionellen Wissenschaft bis hin zum Kulturerbe und zur Musik reichen – ganz im Sinne der öffentlichen Nachfrage. Um dieses Ziel zu realisieren, arbeiten die niederländischen Plusbibliotheken aktiv an einer Open-Search-Plattform, welche in der nahen Zukunft alle relevanten Metadaten umfassen soll. Außerdem organisieren die Mitglieder der Metadaten-Arbeitsgruppe ein bis zwei Mal pro Jahr offene Treffen, bei denen die Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt werden.

Ein anderes Angebot von Plusbibliotheken ist die Fernleihe – IBL, welche den ganzen Bestand sowohl von Öffentlichen wie auch Universitätsbibliotheken zur Verfügung stellt. Das ursprüngliche Ziel war es, Doktorand:innen ein Angebot bereitzustellen, welches ermöglicht, ihre Dissertationen größtenteils zu Hause anzufertigen. Heute ist es deutlich mehr als nur ein Angebot für Promovierende und richtet sich auch an die breite Öffentlichkeit.

Das russische Projekt CyberLeninka (russisch: КиберЛенинка) ist eine wissenschaftliche elektronische Bibliothek, die nach dem Open-Science-Modell arbeitet. Sie verfügt über eine umfangreiche Sammlung digitalisierter wissenschaftlicher Artikel, die über kostenlose Lizenzen erhältlich sind. Dazu arbeitet CyberLeninka sehr eng mit den Öffentlichen Bibliotheken zusammen, indem sie zahlreiche Medienkompetenz-Angebote im Bereich der Wissenschaft für Mitarbeiter:innen und auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

Ein weiteres Beispiel für Open Science in Öffentlichen Bibliotheken kommt aus der Schweiz. Dort, wo Universitätsbibliotheken gleichzeitig Öffentliche Bibliotheken sind, hilft Open Access, die Herausforderungen bei der Ermöglichung des Zugangs für das Publikum zu überwinden. In diesem Zusammenhang wurden Vereinbarungen getroffen, um sicherzustellen, dass Benutzer:innen Öffentlicher Bibliotheken auch auf wissenschaftliche Werke zugreifen können – beispielsweise über RERO.

Es wird also klar, dass die Arbeit von Öffentlichen Bibliotheken auch im Bereich von Open Science erfolgreich sein kann. Hierzu gibt es genug Beispiele aus der Welt der Bibliotheken, welche sich deutsche Öffentliche Bibliotheken als Vorbild nehmen könnten, um Open Science in ihren Bibliotheksalltag zu integrieren. Wir sind gespannt zu sehen, wie die offene Wissenschaft ein Teil der Öffentlichen Bibliotheken der Zukunft wird.

Weiterführende Links:

DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/F3DN-WX91

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