Von Janina Janßen und Jasmin Schmitz
Was sind räuberische Konferenzen?
Räuberische Konferenzen, engl. Predatory Conferences, sind unseriöse Konferenzen ohne wissenschaftlichen Mehrwert. Sie sind nur darauf ausgerichtet, den Organisator:innen möglichst viel Geld einzubringen. So werden an gleichen Tagen mehrere vermeintliche Konferenzen an einem Ort geplant. Jede wird unabhängig voneinander beworben. Die Überlappung fällt meist erst dann auf, wenn die Wissenschaftler:innen eintreffen (Ro 2024). Vor Ort wird klar, dass die Veranstaltungen unter neuer Bezeichnung zusammengelegt wurden; meist deutlich kleiner und mit fälschlich beworbenen Sprecher:innen.
Die Vorträge sind nicht begutachtet, zuvor angekündigte Poster Sessions finden nicht statt und die Planung wirkt insgesamt recht unorganisiert (Ro 2024).
Irreführende Werbung ist hier Teil des Geschäftsmodells: Das Programm ist teilweise erfunden, angekündigte Sprecher:innen existieren nicht oder es sind bekannte Wissenschaftler:innen in ihrem Feld, die keine Ahnung von ihrer angeblichen Teilnahme haben. Auch werden unwahre Behauptungen über die Wissenschaftler:innen oder deren Karrieren formuliert (Wong 2024). Ähnliches gilt für die Konferenzorganisation: Auch hier werden Namen von unbeteiligten Wissenschaftler:innen genannt, was sich rufschädigend für diese auswirken könnte (Ro 2024).
Warum gibt es räuberische Konferenzen?
Um es kurz zu machen: Sie treffen in vielen Fachrichtungen auf einen Bedarf. Wissenschaftliche Konferenzen sind ein essentieller Bestandteil von wissenschaftlicher Kommunikation. Direkter Austausch zwischen internationalen Wissenschaftler:innen, Networking, fachlicher Austausch zu den Vorträgen und zusätzlicher Informationsaustausch sind Ziele von Konferenzteilnahmen. Gerade für junge Wissenschaftler:innen ist die Kontaktaufnahme zu anderen Forschenden im eigenen Arbeitsbereich ein wichtiger Karriereschritt. Vernetzung bringt Austauschmöglichkeiten, und das Vorstellen der eigenen Arbeit bringt Reputation.
Entsprechend locken räuberische Konferenzen mit diesen Möglichkeiten (Forschung und Lehre 2024). Die Aussicht, interessante Vorträge von anerkannten Personen im Feld zu hören oder sogar selbst die Möglichkeit zu haben, schon früh in der Karriere das eigene Forschungsthema vorzustellen, machen diese Konferenzen für (Nachwuchs-)Forschende attraktiv. Zudem wird oftmals auch eine Publikation in Aussicht gestellt, die in Datenbanken indexiert wird, die für die wissenschaftliche Community relevant sind. Für Forschende, in deren Community Konferenzbeiträge eine zentrale Rolle für den Reputationsaufbau spielen, ist es eine Gelegenheit, selbst Vorträge zu halten – fernab von den großen einschlägigen Konferenzen mit begrenzter Anzahl an Vortragsslots. Insbesondere Forschende aus nicht englischsprachigen Ländern werden hier schnell getäuscht.
Auch nehmen einige Forschende die Teilnahme an einer räuberischen Konferenz wissentlich in Kauf, um diese im Lebenslauf ausweisen oder die Reise mit einem Urlaub kombinieren zu können (Ro 2024).
Ein weiterer Grund, warum es solche Konferenzen gibt, ist die Einfachheit des „Geschäftsmodells“. Neben dem Einrichten einer Webseite und Aufbau eines Mailverteilers mit relevanten Adressat:innen für die Bewerbung der Konferenzen, müssen – in den meisten Ländern – lediglich Konferenzräume angemietet werden. Die Kosten hierfür sind mit Blick auf die Höhe der zu erwartenden Einnahmen von Konferenzgebühren, die zwischen 140 Euro und mehr als 1.700 Euro liegen können, eher gering (Ro 2024).
Wie kann man solche Konferenzen erkennen?
Ähnlich wie bei Predatory Journals können Predatory Conferences auf den ersten Blick legitim erscheinen. Auch hier gibt es ein Spektrum, was von hochbetrügerisch über schlecht organisiert, aber legitim bis zu seriös reichen kann (InterAcademy Partnership (IAP), S. 8). Entsprechend aufmerksam muss ein Angebot überprüft werden. Hilfreich ist beispielsweise:
- Mit Kolleg:innen sprechen, ob die Konferenz bekannt ist.
- Online nach Erfahrungen von Teilnehmer:innen suchen.
- Sollte es eine bekannte Konferenz sein: Name und Website kritisch überprüfen, da unseriöse Konferenzen auch auf Verwechslung zu bekannten Konferenzen setzen.
- Aufmerksame Überprüfung der angekündigten Vorträge sowie ein Check, ob die Sprecher:innen wirklich in dem Bereich aktiv sind.
- Überprüfung des Veranstaltungsortes und der veranstaltenden Einrichtung – ggf. Kontaktaufnahme mit dieser, um nach der Konferenz zu fragen.
- Kritische Sichtung von Konferenzeinladungen, besonders wenn diese extrem schmeichelhafte Einladungen als Vortragende:r enthalten.
Weitere Kriterien zur Überprüfung von Konferenzen finden sich auf der Website Think.Check.Attend. Der dort verlinkte Conference Checker bietet die Möglichkeit, wichtige Kriterien nacheinander durchzugehen und so zu einer Einschätzung im Hinblick auf die Seriosität der Konferenz zu kommen.
Wie wichtig ein Check vorab ist, zeigt beispielsweise die Informationsseite des Forschungszentrums Jülich: Hier ist vermerkt, dass Reisekosten für die Teilnahme an Predatory Conferences nicht erstattet werden (Forschungszentrum Jülich 2023).
Wie lassen sich solche Konferenzen darüber hinaus eindämmen?
Die Aktivitäten ließen sich bislang nur schwer eindämmen, insbesondere auch weil Forschende aus Opportunitätsgründen oder bei versehentlicher Teilnahme aus Scham sowie Angst vor Rufschädigung schweigen oder aufgrund fehlender Erfahrung die Konfrontation mit den „Konferenzorganisator:innen“ scheuen (Ro 2024). Eine breite Aufklärung zu dem Thema ist somit zentral, damit wissenschaftliche Institutionen und mittelgebende Einrichtungen es in ihre Policies aufnehmen und wiederum ihre Forschenden und Geförderten instruieren, damit keine Mittel verschwendet werden. Zudem sollte dort, wo Konferenzbesuche mit eigenen Leistungen wie Vorträge eine wichtige Rolle spielen, die Kriterien zur Forschungsbewertung überdacht werden. Forschungsgruppenleiter:innen und Betreuer:innen sollten das Thema mit Nachwuchsforschenden besprechen – insbesondere weil diese häufig als Vortragende eingeladen werden. Neben der guten wissenschaftlichen Praxis und guter Publikationspraxis sollte sich auch eine gute Konferenzpraxis herausbilden, die Mindeststandards wie Qualitätssicherung durch Peer Review garantiert (siehe hierzu Nature Editorial 2024).
Ähnlich wie bei räuberischen Zeitschriften auch, ist ein Eindämmen dieser Konferenzen wichtig, weil diese ebenfalls ungeprüfte Ergebnisse verbreiten, die gerade in der Medizin eine Gefahr darstellen können und das Potenzial haben, Wissenschaft in Misskredit zu bringen (Ro 2024).
Weitere Informationen zu Predatory Publishing.
Literaturverzeichnis
- Forschung und Lehre (2024): Geschäftsmodell „Predatory Conferences“. Online verfügbar unter https://www.forschung-und-lehre.de/management/geschaeftsmodell-predatory-conferences-6576, zuletzt aktualisiert am 08.08.2024, zuletzt geprüft am 18.12.2024.
- Forschungszentrum Jülich (2023): Predatory Conferences. Online verfügbar unter https://www.fz-juelich.de/de/zb/open-science/predatory-publishers/predatory-conferences, zuletzt aktualisiert am 17.07.2023, zuletzt geprüft am 11.12.2024.
- InterAcademy Partnership (IAP) (Hg.): Combatting Predatory Academic Journals and Conferences. Online verfügbar unter https://www.interacademies.org/sites/default/files/2022-03/2.%20Summary%20report%20-%20English.pdf, zuletzt geprüft am 18.12.2024.
- Nature Editorial (2024): Predatory conferences are on the rise. Here are five ways to tackle them. In: Nature 632 (8023), S. 7. DOI: 10.1038/d41586-024-02445-y.
- Ro, Christine (2024): What is it like to attend a predatory conference? In: Nature 631 (8022), S. 921–923. DOI: 10.1038/d41586-024-02358-w.
- Think.Check.Attend. Online verfügbar unter https://thinkcheckattend.org/, zuletzt geprüft am 18.12.2024.
- Wong, Tin Wui (2024): My identity was stolen by a predatory conference. In: Nature 633 (8030), S. 525. DOI: 10.1038/d41586-024-03024-x.