von Anja von Trosdorf
Gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben
Alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber sind nach dem Sozialgesetzbuch IX dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Stellen mit Menschen zu besetzen, die schwerbehindert oder dem gleichgestellt sind. Der öffentliche Dienst soll aus Sicht der Bundesregierung diese Beschäftigungsquote vorbildlich erfüllen. Mit einem Wert von circa zehn Prozent ist die Quote bei ZB MED sogar fast doppelt so hoch wie gesetzlich vorgeschrieben. Und das ist kein Zufall, denn ZB MED sieht das Engagement für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen als Chance, von der alle Beteiligten nur profitieren können.
Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) an ZB MED leistet dabei als gewählte, unabhängige Interessenvertretung einen wesentlichen Beitrag zur Inklusion von schwerbehinderten Menschen in die Arbeitsprozesse. Die Arbeit gilt als Ehrenamt, durch das die Arbeitsbedingungen gesundheitsförderlich mitgestaltet werden können und das insgesamt zu einem inklusiven Umfeld beiträgt. Aufgaben, Rechte und Pflichten der SBV sind im Sozialgesetzbuch IX geregelt, das die Grundlage für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung bildet. Die zentrale Aufgabe ist demnach die Vertretung der Interessen schwerbehinderter Menschen. Die SBV fördert deren Eingliederung in die Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zu Seite. Im Herbst 2022 wurde deutschlandweit in den Betrieben und Dienststellen – so auch an ZB MED – die Schwerbehindertenvertretung für eine Periode von vier Jahren gewählt. Die neugewählte Vertrauensfrau Anja von Trosdorf und ihr Stellvertreter Jonathan Lehmann sind zuständig für Angelegenheiten, die einzelne Personen oder die Gruppe aller schwerbehinderter Menschen bei ZB MED berühren. Sie arbeiten intern eng mit der Institutsleitung, dem Personalrat und der Gleichstellungsbeauftragten zusammen. Extern ist die SBV vernetzt mit der Agentur für Arbeit und dem Inklusionsamt des Landschaftsverbandes Rheinland.
Beispiele aus dem vielseitigen Aufgabenspektrum der SBV
- Unterstützung und Beratung auch von (noch) nicht schwerbehinderten Kolleg:innen bei der Antragsstellung auf den Schwerbehindertenausweis
Wer die Rechte und Nachteilsausgleiche, die schwerbehinderten Menschen zustehen, beanspruchen möchte, muss seine Schwerbehinderteneigenschaft nachweisen können. Es gilt das Prinzip: kein Recht ohne Nachweis. Menschen sind im Sinne des SGB IX dann schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt. Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, mindestens aber 30, können schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Der Antrag auf Gleichstellung wird bei der Agentur für Arbeit gestellt. Gleichgestellte erhalten keinen Schwerbehindertenausweis, haben aber grundsätzlich den gleichen Status wie bei einer Schwerbehinderung, so dass durch den Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz der Arbeitsplatz gesichert werden kann.
Die SBV berät Kolleg:innen, die von Schwerbehinderung betroffen sind, vor der Antragstellung und unterstützt sie später auch im Antragsverfahren auf Feststellung des Grades einer Behinderung (GdB). Zuständig für die Prüfung des Antrags ist dann das Versorgungsamt.
- Beteiligung an personellen Maßnahmen
Die Berücksichtigung schwerbehinderter Bewerber:innen im öffentlichen Dienst ist durch die Pflicht zur Einladung zu Vorstellungsgesprächen noch stärker ausgeprägt als bei privaten Arbeitgeber:innen. Einstellungsverfahren – also Bewerbungen und Auswahlgespräche – bilden daher einen zentralen Schwerpunkt der SBV-Arbeit.
In seinen Stellenausschreibungen ermutigt ZB MED Menschen mit Beeinträchtigung zu einer Bewerbung durch den Hinweis auf eine bevorzugte Berücksichtigung bei gleicher Eignung. Dadurch wird bei der Teilnahme an Bewerbungsgesprächen Chancengleichheit gewährleistet.
Auch bei Umsetzungen und Kündigungen ist die SBV laut Sozialgesetzbuch IX einzubeziehen. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist ohne Unterrichtung und Stellungnahme der SBV unwirksam.
- Präventionsverfahren und Arbeitsschutz sowie Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
An ZB MED ist die Schwerbehindertenvertretung ein fester Bestandteil beim Prozess der betrieblichen Eingliederung. Der BEM-Prozess setzt immer dann ein, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Handelt es sich dabei um schwerbehinderte Menschen, muss neben dem Personalrat auch die SBV hinzugezogen werden. Gemeinsam mit der betroffenen Person klären die Gremien dann, wie die Arbeitsunfähigkeit zukünftig überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Die SBV an ZB MED ist generell eingebunden in die behindertengerechte und barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung. Dazu beantragt sie passende Unterstützungsleistungen beispielsweise für technische Hilfsmittel.
Von Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie lernen
- Zuwachs der flexiblen Arbeitsformen
Das mobile Arbeiten erlebt seit Beginn der COVID-19-Pandemie einen Aufschwung. Die besonderen Bedingungen und die wachsenden digitalen Möglichkeiten haben Auswirkungen auf die tägliche Arbeit und die Zusammenarbeit der ZB MED-Mitarbeiter:innen. Für Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten bietet die Arbeit von zu Hause die Chance, ihre Tätigkeiten behinderungsgerechter zu gestalten. Im privaten Umfeld haben sie oft die besten Rahmenbedingungen, um ihre Aufgaben zu organisieren.
Die SBV hat umfassende Mitwirkungsrechte, wenn es darum geht, die Ansprüche auf Homeoffice im Rahmen einer behinderungsgerechten Beschäftigung durchzusetzen. Das Einrichten eines Homeoffice-Arbeitsplatzes kommt im Präventionsverfahren als geeignete Maßnahme in Betracht, um gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken.
- Praxisbeispiel: gelungene Inklusion hörbeeinträchtiger Kolleg:innen
Durch die Corona-Krise hat die Bedeutung von digitalen Kommunikationstools enorm zugenommen. Insbesondere Webkonferenzen sind zum Standard geworden. Sie ersetzen nun häufig Präsenzveranstaltungen und persönliche Treffen.
Die Corona-Krise ist in dieser Hinsicht für Hörgeschädigte eine erhebliche Herausforderung! An ZB MED wurde daher eine AG zur Verbesserung der Teilhabe von hörgeschädigten Mitarbeiter:innen ins Leben gerufen. Daran nahmen die hörbehinderten Personen, deren Vorgesetzte, die Personalentwicklung, Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung teil, um geeignete Lösungen zu finden.
Verschiedene Dinge wurden ausprobiert und schließlich etabliert. Schriftdolmetschung und Spracherkennungstechnologien ermöglichen heute eine barrierefreie Teilnahme von Hörgeschädigten an Webkonferenzen und Online-Besprechungen. ZB MED gehört zu den ersten deutschen Einrichtungen, die die innovative Technologie von SpeakSee als Spracherkennungstool am Arbeitsplatz einsetzen.
Beide Kommunikationshilfen – sowohl die Schriftdolmetscher:innen als auch die technischen Hilfsmittel – sind auf eine gute Akustik angewiesen. Eine optimale Tonqualität kann mit dem Einsatz von Headsets erzielt werden. Daher wurden einerseits Headsets für alle zur Verfügung gestellt, andererseits musste im ganzen Haus kommuniziert werden, wie wichtig das Tragen der Geräte bei Webmeetings ist. Denn auch das zählt zu den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung: Mitarbeitende und Vorgesetzte zu sensibilisieren und ein Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung zu schaffen.
Die im Jahr 2022 neu gewählte Schwerbehindertenvertretung von ZB MED: Anja von Trosdorf und Jonathan Lehmann
Dieser Beitrag erscheint parallel im ZB MED-Jahresbericht 2022.
DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/vfrq-nk46