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Wenn die Bibliothek mit der Forschung…

von Dr. Miriam Albers

Bibliotheken versorgen Forschende mit Literatur und Daten. Diese Aufgabe erfordert eine große Anzahl an operativen Prozessen, Geschäftsgängen, Genauigkeit wie Flexibilität und Kundenorientierung. Auch ZB MED versorgt als Zentrale Fachbibliothek klassischerweise Forschende mit wissenschaftlicher Literatur. Außerdem entwickelt ZB MED in drei Programmbereichen mit angewandter Forschung eine Reihe von forschungsnahen Dienstleistungen, zum Beispiel zum fachspezifischen Zugang zu Forschungsdaten, Hilfe bei der Datenanalyse und -verwaltung oder Unterstützung für Open-Science-Initiativen. Um Forschung und Bibliothek jedoch noch intensiver miteinander zu verzahnen, hat sich ZB MED zum Ziel gesetzt, im Programmbereich Informationsversorgung – Entwicklung (IV-E) die operativen bibliothekarischen Aufgaben mit wissenschaftlicher Methodik durch Bibliothekar:innen (weiter) zu entwickeln.

Die praktische Umsetzung dieses Vorhabens begegnete vielen offenen, grundsätzlichen Fragen: Welche angewandte Forschung ist im Bibliotheksbereich überhaupt gefragt? Wie sieht Projektarbeit in diesem Zusammenhang aus? Wie kann diese Entwicklung nachhaltig aufgebaut werden? Wie kann in diesem Bereich eine Kultur aufgebaut werden, die Experimente und auch Fehlschläge erlaubt? In der täglichen Arbeit sind die Fragen noch konkreter: Welche Mitarbeitenden sind dafür überhaupt geeignet? Wer ist Willens und in der Lage, sich auf Projektarbeit, neue Themen, unbekannte Hürden und Kommunikation in englischer Sprache einzulassen?

Im Sommer 2022 entstand nach der Publikation des Artikels Verändern oder verändert werden – das ist hier die Frage! Warum die Transformation von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften (ZB MED) ein Vorbild für alle Wissenschaftlichen Bibliotheken ist.[1] in Mailinglisten eine Diskussion darüber, ob Forschung von Bibliothekar:innen überhaupt noch geleistet werden kann oder sollte. Wir bei ZB MED sind uns sicher, dass eigene bibliothekarische Forschung sich – trotz aller Herausforderungen – lohnt. Denn Services werden so durch neue Technologien oder Inhalte direkt verbessert. Und indirekt dadurch, dass die eigene Forschungstätigkeit Bibliothekar:innen hilft, die Probleme von Forschenden besser zu verstehen.

Herausforderungen der Verbindung von Forschung und Bibliothek

Der Bereich IV-E versucht aktuell mit 1,7 Vollzeitäquivalenten verteilt auf fünf Personen, die aus unserer Sicht größten Herausforderungen der Verbindung von Forschung und Bibliothek zu meistern:

  1. Identifikation von forschungsrelevanten Themen
    Der Bereich IV-E plant für 2023 Nutzendenstudien durchzuführen, um die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Forschenden der Lebenswissenschaften besser zu verstehen und dadurch die Dienstleistungen und Sammlungen zu verbessern. Auf Grund der Heterogenität und Größe der Zielgruppe wird dies nicht über groß angelegte Studien, sondern mit einer Kombination von Expert:innenstudien, kleineren Umfragen und in Kooperationen mit dem im Bereich Lebenswissenschaften tätigen Institutionen erfolgen.
  2. Heranführungen von Bibliothekar:innen an Forschungsarbeit
    In der Praxis konnten wir hier bereits ein Vorgehen erproben, das sich als erfolgreich erwiesen hat: Die Bibliothekar:innen arbeiteten zunächst in einem gemeinsamen Projekt mit erfahrenen Forschenden aus anderen Abteilungen von ZB MED zusammen. Mit der zunehmenden Etablierung des Projektes zogen sich die Forschenden weitgehend zurück. Auf diese Weise konnte die deutschsprachige Übersetzung der Medical Subject Headings – kurz MeSH – als ein weltweit verbreiteter, polyhierachischer, konzeptbasierter Thesaurus, also ein Schlagwortregister, für biomedizinische Fachbegriffe, als Service etabliert werden.[2]
  3. Personalentwicklung zur Bearbeitung neuer Themen
    Trainings und Schulungen sind von Anfang an ein auch im Organigramm fest verankerter Bestandteil des IV-E. Wissenstransfer wird so ständig mitgedacht und auch institutionell verankert.
  4. Aufbau einer Forschungskultur im Bibliotheksbereich
    Forschungsplanung zu betreiben ist für diesen Bereich neu. Regelmäßige Treffen mit anderen Forschenden von ZB MED zu strategischen Themen dienen dem Erlernen von neuen Techniken und Denkweisen.
  5. Aufbau von Ressourcen
    Ein weiterer Aufbau des Bereiches ist ohne externe Finanzierung nur sehr langsam möglich. Eine mögliche Lösung können Drittmittel sein. Der Fokus des Bereiches stand daher im letzten Jahr im Aufbau von Kooperationen zur Einreichung von Projektanträgen. Dies wird im Jahr 2023 fortgesetzt.

Fehlerkultur als Erfolgsfaktor

Trotz aller Erfolge, die z. B. durch den deutschen MeSH oder in der Zusammenarbeit mit den Forschungsstrukturen von ZB MED bereits erreicht werden konnten, ist der IV-E noch kein Selbstläufer. Das Positionspapier der Kommission für forschungsnahe Dienste des VDB zeigt auf, dass eine Fehlerkultur für den Erfolg von Forschung in der Bibliothek der entscheidende Erfolgsfaktor ist: „Wer Neues ausprobiert, macht rein statistisch gesehen mehr Fehler, kann bei einzelnen Entscheidungen in die Irre gehen, aus Fehlern lernen und klüger weitermachen. Feedbackkultur ist dafür notwendig, ebenso wie Ehrlichkeit im Umgang mit Misserfolgen.“[3] Wir werden im IV-E weiter Fehler machen, um erfolgreich zu sein. Das Motto dazu:

Try Again. Fail Again. Fail Better.” -Samuel Beckett

Dieser Beitrag erscheint parallel im ZB MED-Jahresbericht 2022.

DOI (Digitalausgabe):  https://doi.org/10.48664/et31-x519


[1] Albers, Miriam: Verändern oder verändert werden – das ist hier die Frage: Warum die Transformation von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften (ZB MED) ein Vorbild für alle Wissenschaftlichen Bibliotheken ist. In: b.i.t. online, 25 (2), 2022, S.140-145 URL: https://www.b-i-t-online.de/heft/2022-02-meinung-albers.pdf

[2] https://www.zbmed.de/open-science/terminologien/deutscher-mesh/

[3] Stille, W., Farrenkopf, S., Hermann, S., Jagusch, G., Leiß, C., & Strauch-Davey, A. (2021). Forschungsunterstützung an Bibliotheken: Positionspapier der Kommission für forschungsnahe Dienste des VDB. O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB, 8(2), 1–19. https://doi.org/10.5282/o-bib/5718

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