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Forschende Bibliothek vs. bibliothekarische Forschung oder wie ZB MED als 50/50-Modell funktioniert.

von Prof. Dr. Dietrich Rebholz-Schuhmann

Die digitale Transformation und das Fortschreiten der Open-Access-Initiative führen zu tiefgreifenden Veränderungen bei den Verlagen wissenschaftlicher Fachzeitschriften, bei den Zugangswegen zur wissenschaftlichen Literatur und bei den wissenschaftlichen Fachbibliotheken. Wurde früher von OPAC gesprochen, sind es heute Suchmaschinen. Der Erwerbungsetat wurde zum Informationsbudget und Katalog- zu Metadaten. Neben Publikationen und Medien müssen auch Forschungsdaten „gemanagt“ werden. Dafür sind Routinen und standardisierte Prozesse genauso wie Neu- und Weiterentwicklung zwingend. Diese agile Veränderung hat signifikante Auswirkungen auf die Organisation von wissenschaftlichen Bibliotheken. Bei ZB MED führten diese Veränderungen letztendlich zu der Frage: Wer sind wir denn eigentlich? Ein Forschungsinstitut oder eine Bibliothek und was ist wichtiger? Eine Antwort darauf kann die Analyse der Personalstruktur von ZB MED liefern.

Die folgenden Grafiken geben die Verteilung der Mitarbeitenden in den verschiedenen Programmbereichen von ZB MED wieder. Weiterhin werden zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden einander gegenübergestellt: die Personalkosten nach Bereichen im Vergleich zu den berechneten Vollzeitäquivalenten (VZÄ) in der gleichen Zuordnung.

Die Grafiken unterscheiden nach den verschiedenen Programmbereichen – kurz PB:

  • Informationsversorgung-Dienste (IV-D), aktuell kommissarisch geleitetet von Prof. Dr. Dietrich Rebholz-Schuhman, als größter PB geteilt in Bestands- und Lizenzmanagement sowie Bibliotheksservices,
  • Open Science (OS), geleitet von Prof. Dr. Ursula Arning,
  • Data Science and Services (DSS), geleitet von Prof. Dr. Konrad Förstner,
  • Wissensmanagement (WM), geleitet von Prof. Dr. Juliane Fluck.

Die Strukturen der PB von ZB MED unterscheiden sich deutlich voneinander, wie die Analyse alleine der Kostenstellen der PB nach Services und Projekten (Abbildung 1) zeigt. Während ein PB – aufgeteilt in zwei Bereiche – sich ausschließlich auf Serviceleistungen fokussieren, sind zwei PB gemischt aufgestellt und ein PB rein forschungsorientiert organisiert. Die Unterschiede in der Ausrichtung ermöglichen die Etablierung von spezialisierten Prozessen und erhöhen die Effizienz in den Abläufen und der Kommunikation deutlich.

Grafik
Abbildung 1: Anteil Services und Projekte nach Programmbereichen

In Abbildung 1 sind die Anteile der Projekte bzw. Services pro Programmbereich im Vergleich aufgelistet. An dieser Stelle werden noch keine Kosten berücksichtigt; die Projekte sind drittmittelfinanziert, während die Services institutionell getragen werden. Hinzu kommt bei den Forschungsbereichen WM und DSS eine hier nicht ausgewiesene institutionelle Grundfinanzierung.

Im Gegensatz zur Ausrichtung auf Projekte vs. Services, sind die Kosten der Bereiche erstaunlich ähnlich. Trotz der unterschiedlichen Struktur weisen die vier Programmbereiche (IV-D aufgeteilt in beide Bereiche) in etwa gleich hohe Personalkosten von rund einer Million Euro auf (siehe Abbildung 2). Hier wird der Gesamtwert nach Vollzeitäquivalenten für die vier bzw. fünf Bereiche den Personalkosten für die gleichen Vollzeitäquivalente gegenübergestellt.

Abbildung 2: Vollzeitäquivalente und Personalkosten pro Programmbereich

Der Bereich IV-D/Bestands- und Lizenzmanagement wählt und lizenziert die Inhalte für die Nutzenden von ZB MED, und der Bereich IV-D/Bibliotheksservices vermittelt den Nutzenden den Zugang zu diesen Informationsquellen von ZB MED.

Der PB OS ist eng an die beiden Bereiche des IV-D angelehnt, da auch hier bibliothekarische Kompetenzen eingesetzt werden, um Literatur und Daten in neuen offenen Formaten anzubieten. Damit diese Informationen mittels Metadaten standardisiert werden können, werden Plattformen eingesetzt, um die Erfassung der Quellen zu erleichtern. Im Gegensatz zu den beiden Bereichen des PB IV-D kann sich der PB OS mit fünf geförderten Projekten bereits auf eine starke Unterstützung durch Drittmittelprojekte verlassen. In diesen Projekten werden neue Open-Access-Lösungen aufgebaut und für die Veröffentlichungen eingesetzt. Die IT-Lösungen können zudem von anderen Instituten nachgenutzt werden.

Die beiden weiteren Programmbereiche PB-DSS und PB-WM greifen auf eine deutlich höhere Drittmitteleinwerbung zurück und sind in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur stark eingebunden, bieten dafür kaum klassische Endkundenservices an, sondern sind in der Forschungscommunity aktiv.

Die orangene Linie verdeutlicht, dass die Personalkosten in allen Bereichen ähnlich sind. Die Anzahl von VZÄ unterscheidet sich davon deutlich. Die Unterschiede erklären sich daraus, dass sich die Personalstrukturen im IV-D zur Gewährleistung des Serviceangebotes anders gestalten, als in den Bereichen mit einer hohen Orientierung auf Entwicklungsaufgaben. Die Bereiche der Informationsversorgung sind damit personal-, aber nicht kostenintensiv, während in den forschungsorientierten Bereichen genau gegenteilige Prinzipen wirken.

Über die Unterschiede hinaus zeigen die Analysen, dass die Programmbereiche extrem heterogene Profile haben und die Anforderung als forschende Bibliothek oder bibliothekarische Forschung arbeitsteilig erfüllen. Wie in Abbildung 3 schematisch dargestellt, sind die Bereiche voneinander abhängig:

Abbildung 3: Verknüpfung der Programmbereiche von ZB MED

Im Bereich IV-D/Bestands- und Lizenzmanagement werden die Grundlagen für die die externen Services geschaffen, welche durch die Programmbereiche DSS und vor allem OS und IV-D/Bibliotheksservices erbracht werden. Gleichzeitig ermöglicht die Forschung in den Bereichen WM, DSS und OS die Weiterentwicklung dieser Services und beruht wiederum teils auf den Metadaten, die zum Beispiel im Bereich IV-D/Bestands- und Lizenzmanagement oder auch OS generiert werden.

Noch sind die Veränderungen von ZB MED nicht abgeschlossen. Geplant ist die Drittmittelquote im Bereich IV-D zu erhöhen, um die Entwicklung von Infrastrukturen weiter voranzutreiben. Das grundsätzliche Profil des Bereiches ausgerichtet auf Endkundenservices soll damit nicht geschmälert werden, vielmehr soll der Austausch zwischen den Programmbereichen durch gleiche Themen und Herausforderungen im Projektmanagement noch weiter verbessert werden. Für ZB MED ist klar, dass als zentrale Fachbibliotheken hochwertige Endkunden-Services nur in der ausgeglichenen Kombination von Forschung und Entwicklung erbracht werden können. Ob das Label Forschungsinstitut oder Bibliothek dann darüber steht, wird vor diesem gemeinsamen Ziel nebensächlich.

Gebäude ZB Med

#HumanResources #Library #ResearchInstitute #Services #Research

Dieser Beitrag erscheint parallel im ZB MED-Jahresbericht 2022.

DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/h401-kn19

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