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Data Librarian – ein neues Berufsbild und seine Tätigkeiten

In diesem Blogbeitrag liefert Solveig Müller-Bladt einen Einblick in die Tätigkeiten des neuen Berufsbildes „Data Librarian“. Sie geht auf die Hintergründe der Ausbildung ein und schildert ihre persönlichen Motive für die Teilnahme. Solveig Müller-Bladt gehört zu den ersten Absolvent:innen des Zertifikatskurses, den das Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung der TH Köln seit 2019 anbietet.

Durch die zunehmende Digitalisierung befindet sich das wissenschaftliche Bibliothekswesen in einem tiefgreifenden Umbruch. Dadurch ergeben sich neue Herausforderungen und Tätigkeitsfelder. Bibliothekar:innen müssen sich verstärkt mit Themen wie Big Data, Forschungsdaten und Open Science auseinandersetzen. Daher benötigen sie zusätzliche Kompetenzen, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Zertifikatskurs Data Librarian

Die geforderten Datenkompetenzen können in einem 8-monatigen Zertifikatskurs im ZBIW der TH Köln erworben werden. Der Kurs befähigt die Teilnehmer:innen, im beruflichen Alltag selbständig neue Themen zu erschließen und Problemlösungen zu finden.

Die Weiterbildung wurde erstmalig von November 2019 bis Juni 2020 angeboten und weckte mein besonderes Interesse. Seit 15 Jahren nehme ich klassische bibliothekarische Aufgaben wie die Erwerbung und Katalogisierung von Printmedien und E-Books sowie die Retro-Katalogisierung von Altbeständen wahr.

Mein Wunsch war es, meinen beruflichen Horizont zu erweitern und mich zu spezialisieren. Aufgrund meiner Gehörlosigkeit sind meine beruflichen Einsatzmöglichkeiten eingeschränkter; so kann ich nicht in Bereichen mit einem hohen Kommunikationsanteil eingesetzt werden, wie zum Beispiel im Auskunftsdienst. Hinzu kommt, dass der Print-Bereich immer weniger eine Rolle spielt und zunehmend Online-Publikationen erworben werden.  Außerdem hatte ich schon immer eine IT-Affinität. Bereits in der Schule belegte ich das Fach Informatik und wählte auch im Bibliothekswesen-Studium den Schwerpunkt Informationstechnologie.

Nach meiner erfolgreichen Bewerbung absolvierte ich dann den Zertifikatskurs „Data Librarian“ mit weiteren 15 Kursteilnehmer:innen, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Bibliotheken und Spezialbibliotheken aus ganz NRW kamen. Die Weiterbildung bot mir einen spannenden Einblick in die Themenbereiche Programmierung mit Python, Metadaten, automatische Erschließung, Suchmaschinen/Information Retrieval, Datenanalyse und -visualisierung, maschinelles Lernen/künstliche Intelligenz, Forschungsdaten, Open Access, Bibliometrie, Lizenzen, digitale Langzeitarchivierung – unter Berücksichtigung rechtlicher und ethischer Aspekte. Mir wurde ein Bewusstsein für das enorme Potenzial der Programmiersprache Python im Bereich Datenanalysen, künstliche Intelligenz etc. vermittelt. Zahlreiche Arbeitsprozesse können mit ihrer Unterstützung effizienter gestaltet werden.

Data Librarian in der Praxis

Die Tätigkeiten und Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig. Daraus können sich Spezialisierungen im Bereich Metadaten, Forschungsdaten, Langzeitarchivierung, Datenanalysen und viele weitere ergeben. Im Folgenden liefere ich einen kleinen Einblick in die Tätigkeiten eines Data Librarians im Bereich „Metadatenmanagement“, indem ich die Aufgaben anhand eines Projektes exemplarisch beschreibe.

Nach dem Zertifikatskurs übernahm ich ein E-Book-Projekt. Hier konnte ich die ersten praktischen Erfahrungen als frisch gebackene Data Librarian sammeln. Ziel in diesem Projekt ist die Einspielung der Metadaten eines gekauften E-Book-Paketes in das Suchportal LIVIVO. Da die Einspielung des E-Book-Paketes nicht durch das Hochschulbibliothekszentrum des Landes NRW (hbz) erfolgt, mussten wir das Projekt selbst in die Hand nehmen.

Im ersten Schritt erfolgte eine Analyse der Metadaten und der Datenqualität des E-Book-Paketes, welches ca. 1.500 E-Book-Titel aus der Medizin enthält. Hierbei waren die Python-Grundkenntnisse aus dem Zertifikatskurs enorm hilfreich. Mit dem Python-Modul Pymarc, welches die Bearbeitung von MARC21-Dateien erlaubt, konnte ich die Metadaten im MARC21-Format einlesen und anzeigen lassen.

Zu Beginn des Projektes machte ich mich zunächst einmal mit den Pymarc-Funktionen vertraut, indem ich mit den grundlegenden Funktionen wie dem Hinzufügen/Löschen von Feldern/Unterfeldern und Manipulationen von Feldinhalten experimentierte. Darüber hinaus bietet Python weitere nützliche Funktionen wie das Auslesen und Speichern von bestimmten Feldern in Excel-Tabellen.

Die Datenanalyse ergab, dass die Metadaten nicht in der gewünschten Qualität vorlagen, so dass Datenbereinigungen notwendig waren. Es mussten über 450 Titeldatensätze automatisiert gelöscht und weitere Anpassungen in den Metadaten vorgenommen werden. Für alle E-Books wurden Links generiert, mit denen die Nutzer:innen im Suchportal LIVIVO zur Anmeldeseite geleitet werden und nach der Eingabe der Nutzerdaten Zugriff auf die E-Books erhalten.

Nach den Datenbereinigungen folgte die Konvertierung der Metadaten in ein für das SISIS-Bibliothekssystem passendes Dateiformat. Zum Schluss werden die Metadaten des E-Book-Paketes ins SISIS-Bibliothekssystem und anschließend ins Discovery-System LIVIVO eingespielt, wo die E-Books den Nutzer:innen deutschlandweit zur Verfügung stehen.

Während des Projektes wurde ich immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert – in der Programmierung und bei Problemen mit diversen technischen Systemen, die in enger Abstimmung mit den zuständigen Abteilungen geklärt werden mussten. Es war hilfreich für mich, dass ich mich nach Bedarf an einen Informatiker wenden konnte, der mich bei anspruchsvollen Programmieraufgaben unterstützte.

Das Projekt ist in vieler Hinsicht komplex, da es eine intensive Auseinandersetzung mit Datenformaten, Datentransformation, Metadatenstandards, Regelwerken und weiteren technischen Aspekten (Python, SISIS, etc.) erfordert. Im Rahmen des Projektes konnte ich viele neue Erfahrungen sammeln und bekam die Gelegenheit, „über den Tellerrand zu blicken“. Das macht die Arbeit einer Data Librarian so spannend und vielseitig!

Besonders schön finde ich, dass ich im Arbeitsalltag beide Welten vereinbaren kann, indem ich klassische bibliothekarische Aufgaben und zusätzlich Projektaufgaben als Data Librarian wahrnehmen kann. Darüber hinaus versuche ich, Arbeitsvorgänge in der Medienbearbeitung durch kleine Software-Lösungen mit Python effizienter zu gestalten. Beispielsweise habe ich im Rahmen meines Abschlussprojektes ein kleines Python-Programm geschrieben, womit bestimmte Felder, die für den Upload von E-Books und für ihre Nutzung im Suchportal LIVIVO erforderlich sind, im Bibliothekssystem SISIS automatisiert erfasst werden können.

In Zukunft sind weitere Projekte geplant, in denen z. B. die Metadaten von unseren E-Book-Sammlungen (u.a. von ProQuest) anderen Bibliotheken bzw. Bibliotheksverbünden zur Verfügung gestellt werden sollen. Dadurch kann die Sichtbarkeit der Fernzugriffsangebote und ihre Nutzung erhöht werden. Über angepasste URLs soll den Nutzer:innen der Zugriff über Remote Access ermöglicht werden.

Weitere Informationen

zum Zertifikatskurs Data Librarian
zur Anmeldung ZBIW / TH Köln

ZB MED Whitepaper Python:

Programmiersprache Python – Sweet Spot zwischen leicht lernbar und mächtig
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DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/h34j-mr13

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