Menschen, Tiere, Sensationen – Bericht über ausgewählte Vorträge und Sessions zu Open Access auf der 111. BiblioCon 2023

Auf der diesjährigen BiblioCon in Hannover gab es zahlreiche Vorträge und Sessions, die sich in der einen oder anderen Form mit Open Access beschäftigt und beispielsweise Projekte und Initiativen vorgestellt haben. Ein Teil der Sessions beschäftigte sich unter anderem mit Tools, die den Arbeitsalltag sowohl für Publizierende als auch für Bibliotheken erleichtern sollen. Ein Bericht von Jasmin Schmitz.

Hilfe bei der Auswahl von Zeitschriften

Eine zentrale Aufgabe beim wissenschaftlichen Publizieren ist die Auswahl einer geeigneten Zeitschrift. Vorgestellt wurden hierzu zwei Tools, die auf die Auswahl von Open-Access-Zeitschriften fokussieren:

  • B!son (https://service.tib.eu/bison/): Auf Grundlage eines verfassten Manuskripts lassen sich mit B!son thematisch passende Open-Access-Zeitschriften finden. Hierzu kann man Titel, Abstract und Referenzen aus einem Artikel in eine Eingabemaske kopieren. Das Tool ermittelt über semantische Ähnlichkeiten und bibliometrische Verfahren dann potenziell geeignete Zeitschriften. Datenbasis stellen hier unter anderem das Directory of Open Access Journals (DOAJ) und OpenCitations da. Mittlerweile gibt es hierzu auch ein Widget, um das Einbinden auf die eigene (Bibliotheks-)Website zu ermöglichen. Zudem ist über eine TYPO3-Extension die lokale Integration möglich, die individuell konfigurierbar ist und bei der beispielsweise institutionsspezifische Kostenobergrenzen oder für die Institution eigens ausgehandelte Publikationsgebühren hinterlegt werden können [1].
  • oa.finder (https://finder.open-access.network/): Auch hierüber lassen sich Zeitschriften – künftig auch Buchprogramme oder Konferenzbände mit Open-Access-Modell finden. Neben originären Open-Access-Zeitschriften werden auch hybride Zeitschriften, also solche, die eigentlich Subskriptionszeitschriften sind, aber über eine Open-Access-Option zum „Freistellen“ von Artikeln verfügen, einbezogen. Das Tool basiert unter anderem auf Daten der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB). Es bindet auch institutionenspezifische Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten für eine Open-Access-Publikation wie z.B. über Transformationsverträgen mit ein. Eine Einbindung auf externen Webseiten ist ebenfalls möglich [2].

Bei der Auswahl einer (Open-Access-)Zeitschrift spielen auch Aspekte wie Peer-Review-Dauer und „acceptance rate“ einer Zeitschrift, also der Prozentsatz an eingereichten Manuskripten, die auch angenommen werden, eine Rolle. Zudem stellt sich für Bibliotheken bei der Erwerbung die Frage, inwieweit sie Zeitschriften mit unüblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen finanzieren sollen. Das Projekt EQUAP2  hat über eine Befragung bei Editor:innen (N > 600), Reviewer:innen (N > 2000) und Autor:innen (N=450) analysiert, welche Aspekte den jeweiligen Gruppen wichtig sind. Zentrale Ergebnisse sind [3]:

  • Hohe „acceptance rates“ von Zeitschriften werden dann als unseriös empfunden, wenn Publikationen trotz ablehnender Gutachten doch publiziert werden.
  • Sehr lange und sehr kurze Begutachtungszeiten wirken sich negativ auf die Reputation einer Zeitschrift aus. Dies ist allerdings disziplinspezifisch.
  • Editor:innen sind Verlagen gegenüber meist kritischer eingestellt als Reviewer:innen oder Autor:innen.

Ein Fazit der Studie ist, dass die Qualitätssicherung nur ein Aspekt bei der Auswahl und Finanzierung einer Zeitschrift sein kann.

Hilfe bei der Vertragsgestaltung für Open-Access-Publikationen

Während Verlage und Autor:innen aus den Natur- und Lebenswissenschaften mittlerweile gut mit dem Thema Open Access vertraut sind, bleibt insbesondere die Vertragsgestaltung für Open-Access-Publikationen in den Sozial- und Geisteswissenschaften oftmals noch eine Herausforderung. Hier bieten die im Projekt AuROA [4] entwickelten Musterverträge mit Leistungskatalog und ein Vertragsgenerator Orientierung (https://projekt-auroa.de/vertragsgenerator/). Bei Autor:innen kann dies dem in diesen Disziplinen noch oftmals üblichen Wissensgefälle zwischen Verlag und Autor:innen entgegenwirken. Kleinen Verlagen helfen die Materialien unter Umständen dabei, sich überhaupt mit dem Thema Open Access auseinanderzusetzen und entsprechende Angebote rechtssicher zu entwickeln.

Unterstützung von OA-Workflows in Bibliotheken

Neben wissenschaftlichen Autor:innen benötigen auch Bibliotheken Unterstützung bei der Open-Access-Transformation. Das Projekt Transform2Open (https://www.transform2open.de/) entwickelt hierzu vielfältige Unterstützungsangebote [6]. Neben Hilfe beim Kostenmonitoring wird u.a. eine Handreichung zur Zentralisierung von Finanzmitteln entwickelt sowie eine Website mit einem Kriterienkatalog für die Verhandlung von Open-Access-Verträgen mit Verlagen.

Der oa.atlas (https://open-access.network/en/services/oaatlas) bündelt zum einen Informationen über die Open-Access-Aktivitäten von über 800 Hochschul- und anderen Forschungseinrichtungen in Deutschland. Er kann von Forschenden oder Bibliotheken dazu genutzt werden, Ansprechpersonen zum Thema Open Access an der eigenen oder an anderen Einrichtung zu finden. Eine Karten- und Listenansicht sowie Länderdossiers erlauben es weiteren Stakeholdern zudem, einen detaillierten Überblick über die Open-Access-Landschaft in Deutschland zu gewinnen. Einrichtungen mit einem Open-Access-Angebot sind dazu eingeladen, ihre Daten im oa.atlas zu überprüfen und bei Bedarf Rückmeldung zu geben [7].

Die Landesinitiative openaccess.nrw (https://www.dh.nrw/kooperationen/Landesinitiative%20openaccess.nrw-80) unterstützt das bevölkerungsreichste Bundesland unter anderem bei der Open-Access-Strategiebildung [8]. Neben einer Rechtsberatung und dem Bereitstellen von allgemeinen Informationen werden auch zentrale Infrastrukturangebote gemacht, die komplementär zu lokalen Angeboten sind bzw. insbesondere solche Einrichtungen unterstützen sollen, die nicht über entsprechende Ressourcen verfügen, eigene Angebote zu entwickeln. Außerdem wird das Publikationsaufkommen beobachtet, Hilfe beim Monitoring angeboten sowie Finanzierungsbedarfe ermittelt.

Ein wichtiger Schritt für die Transformation ist Transparenz bei den Kosten. Das Projekt openCost (https://www.opencost.de/) stellt unter anderem Infrastruktur und ein Metadatenschema für die Erfassung und Übertragung von Kostendaten bereit [9]. Hierüber sollen nicht nur Article Processing Charges, sondern auch sonstige Publikationskosten wie z.B. Color Charges erfasst und im Sinne des Informationsbudgets (also Überblick über sämtliche Kosten) standardisiert und transparent erfasst bzw. auswertbar gemacht werden. Ein Vorhaben aus Österreich baut derzeit eine Community of Practice zum Thema „Predatory Publishing“ auf. Aufgrund der Loslösung vom Denken in einer Projektstruktur mit klaren Zielvorgaben, ermöglicht eine Community of Practice hier auch die Bearbeitung des Themas über einen festen Projektzeitraum hinaus. Dies ist auch deshalb angezeigt, weil „Predatory Publishing“ und vergleichbare bedenkliche Entwicklungen im wissenschaftlichen Publikationswesen zum einen sehr wandelbar sind und zum anderen Bibliotheken noch für sehr lange Zeit beschäftigen dürften. Ziel ist daher neben dem Aufbau von Tools etc., die Entwicklung von Strukturen für einen partizipativen Austausch über Good Practices [10].

Forschungsinformationssysteme als Teil einer OA-Infrastrukturlandschaft und die Rolle von Bibliotheken

Einen gewissen Open-Access-Bezug hat auch das Thema „Forschungsinformationssysteme (FIS)“, weil es hier darum geht, möglichst transparent Informationen über Forschung bereitzustellen.

Der Vortrag der DINI AG FIS [11], die zu dem Thema bereits 2022 eine Standortbestimmung vorgelegt hatte, beschrieb die FIS-Entwicklung der letzten Jahre. Neben der Unterstützung von Forschungsprozessen ist die Bereitstellung von Daten für Berichte sowie für die Außendarstellung eine wichtige Funktion von Forschungsinformationssystemen. Hürden sind unter anderem: Frage nach Zuständigkeiten, Schnittstellen, Vorlage von zu importierenden Informationen auf unterschiedlichen Medien (Papier, Excel-Tabellen) sowie der Datenschutz. Zudem wurden die Ansprüche an ein FIS immer komplexer: Neben der Integration des Kerndatensatz Forschung muss die Wahl der zugrundeliegenden Software den individuellen Anforderungen einer Institution genügen. Darüber hinaus sorgt Open Science unter anderem für einen diverseren Forschungsoutput, der dort abgebildet werden muss. Aktuelle Herausforderungen sind die Entwicklung von Personal sowie die Beachtung von nationalen und internationalen Entwicklungen wie z.B. EuroCRIS, die Interoperabilität und Standardisierung fördern und institutionelle Insellösungen zunehmend problematisch machen. Auf institutioneller Ebene ist wichtig, dass die komplette Forschungseinrichtung betrachtet wird, um diese auch adäquat abbilden zu können. Die Integration von persistenten Identifikatoren kann zur Arbeitserleichterung beitragen, ebenso künstliche Intelligenz, die bei der Pflege der Daten eingesetzt werden könnte; die Qualitätssicherung der Daten sollte aber nach wie vor intellektuell erfolgen. Daneben bleibt der verantwortungsvolle Umgang mit Forschungsinformationen wie z.B. bibliometrischen Kennzahlen wichtig. Bibliotheken sollten nach Ansicht der Referent:innen in jedem Fall bei der FIS-Betreibung involviert sein, da sie über vielfältige Erfahrungen wie z.B. im Publikationsmanagement verfügen.

Bibliotheken und Diamond Open Access

Der Aufbau entsprechender Infrastruktur von Zeitschriften, die wissenschaftsgetrieben sind und ohne Gebühren für das Lesen und Publizieren auskommen, ist derzeit ein zentrales Diskussionsthema in der Open-Access-Community. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurden Strategien und Projekte von TU9-Bibliotheken vorgestellt und diskutiert [12]. Zentrale Ergebnisse der Diskussion waren unter anderem, dass die Frage, ob sich Bibliotheken hier engagieren, längst geklärt ist, weil diese bereits über langjährige Erfahrungen im Aufbau von Open-Access-Publikationsangeboten verfügen und somit als Partner zur Verfügung stehen. Entsprechende Projekte mit Bibliotheken dürften sich eventuell sogar als robuster und nachhaltiger herausstellen als andere scholar-led-Projekte, deren Ressourcen oftmals sehr begrenzt und prekär sind. Zudem verfügen Bibliotheken über Erfahrung mit Blick auf die Sicherstellung der Auffindbarkeit von Zeitschriften und den darin erscheinenden Artikeln.

Neuigkeiten zu DEAL

In einer Sitzung wurde über die aktuellen Entwicklungen bei den DEAL-Verträgen berichtet [13] und Auswertungen präsentiert. Aufgrund des Auslaufens der Verträge mit Wiley und Springer Ende 2023 besteht die Notwendigkeit der Neuverhandlung. Zudem ist man weiterhin um einen Vertragsabschluss mit Elsevier bemüht. An die aktuellen Verhandlungen sind diverse Anforderungen geknüpft: Generell wird ein Absenken der PAR (Publish&Read)-Gebühren erwartet und die derzeitige Quote der nach Open-Access-transformierten Zeitschriften wird als noch ausbaufähig betrachtet. Zudem laufen die derzeitigen Verhandlungen auf ein Opt-In-Modell von teilnehmenden Einrichtungen hinaus. Durch die öffentliche Diskussion zum Thema „Daten-Tracking“ werden auch Regelungen in diesem Bereich erwartet.
Generell lässt sich beobachten, dass der Anteil an Open-Access-Publikationen in Deutschland merklich wächst und die DEAL-Verträge hierzu einen Beitrag leisten. Trotz Kritik besitzen die Verträge offenbar eine gewisse Attraktivität, denn die Anzahl der teilnehmenden Einrichtungen wächst – insbesondere die Zahl solcher, die bisher keine vertraglichen Vereinbarungen mit den Verlagen hatten. Nachdenklich stimmt allerdings, dass sowohl bei Springer als auch bei Wiley eine gewisse Konzentration auf bestimmte Zeitschriften zu beobachten ist – also lediglich in ca. 57-60% der Verlagszeitschriften publiziert wird. Hier müsste noch entschieden werden, inwieweit man darauf künftig reagieren will [14].

Künftige Finanzierung von Publikationsgebühren durch die DFG

In einem weiteren Vortrag wurde die Strategie der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG mit Blick auf die Finanzierung von Open-Access-Publikationskosten dargelegt. So stellt die DFG ab 2024 nur noch Mittel für Open-Access-Publikationskosten für Publikationen bereit, die aus den von ihnen finanzierten Projekten entstanden sind. Rückwirkende Ausgleichszahlungen zur Finanzierung von Kosten aus Transformationsverträgen sind dann nicht mehr vorgesehen. Die künftige Ausrichtung berücksichtigt dabei Entwicklungen auf internationaler und europäischer Ebene (so z.B. unterstützt die cOAlition S ab 2025 keine Transformationsverträge mehr) sowie die breite Hinwendung zu Diamond Open Access bzw. non-profit wissenschaftsgeleiteten Publikationsinfrastrukturen [15]. Die nächste BiblioCon findet vom 04. Bis 07.06.2024 in Hamburg statt.

Links

[1] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/102

[2] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/78

[3] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/298

[4] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/270

[5] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-185008

[6] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/83

[7] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/66

[8] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/210

[9] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-184986

[10] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/106

[11] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-184294   

[12] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/sessions/61

[13] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/285

[14] https://dbt2023.abstractserver.com/program/#/details/presentations/94

[15] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-184970

DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/h4jr-6n65

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