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Broken Links und Verlagspublikationen

Katharina Markus stellt den Langzeitarchivierungsdienst Portico vor.

Neue Erkenntnisse in der Wissenschaft sind das Resultat aktueller Forschung – allerdings nicht nur. Sie basieren auch immer auf vorherigen Erkenntnissen anderer Wissenschaftler:innen, den bekannten Schultern von Riesen. Diese Erkenntnisse sind als Artikel und Bücher zu großen Teilen bei Verlagen publiziert, werden von Bibliotheken und/oder dem Internet bereitgestellt und sollten auch nach 20, 100 Jahren oder mehr von der Forschung verwendet und zitiert werden können.

Die Rolle von ZB MED

ZB MED hat explizit die Aufgabe, Informationen der Wissenschaft, speziell der Lebenswissenschaften, zur Verfügung zu stellen – und das über lange Zeiträume hinweg. Veröffentlichungen unterschiedlicher Art werden von der Digitalen Langzeitarchivierung an ZB MED selbst archiviert und erhalten. In Bezug auf Verlagspublikationen wird diese Aufgabe dabei durch die Teilnahme von ZB MED an Portico ergänzt. Mitte 2020 ist ZB MED dem nationalen Portico-Konsortium, das Teil des deutschen NatHosting-Projekts ist, beigetreten. Damit hat ZB MED einen großen Teil des eigenen lizenzierten E-Journal-Bestandes und Teile des E-Book-Bestandes langfristig abgesichert.

Broken Links und Trigger Events

Viele Artikel in E-Journals und E-Books sind über Verlage verfügbar. Allerdings können auch Verlage insolvent gehen oder eine Zeitschrift einstellen. Hatte die Bibliothek gedruckte Ausgaben erworben, stehen diese dann weiterhin in der Bibliothek zur Verfügung. Heute lizenzieren Bibliotheken aber meistens den Zugang zu digitalen Veröffentlichungen, die dann oft für den Lizenzzeitraum über Verlags-Server und -Webseiten zur Verfügung gestellt werden. Verschwindet ein solcher Server und damit die Webseiten, ist auch die Publikation verloren. Im schlimmsten Fall unwiderruflich. In der digitalen Langzeitarchivierung nennt sich ein solcher Fall Trigger Event. Trigger Events lassen sich auch genauer definieren, z. B. als die Unerreichbarkeit des Verlagsservers für eine bestimmte Zeit; dabei kann sich die genaue Definition bei einzelnen Organisationen oder Institutionen unterscheiden. Mit zunehmenden „Alter“ des Internets nehmen solche Trigger Events und entsprechend Broken Links erwartungsgemäß zu. Im Fall von Trigger Events ist dann eine Kopie an einer anderen Stelle nötig, die dort auch gespeichert und erhalten werden darf.

Portico

Eine solche andere Stelle, an der eine weitere Kopie liegen kann, ist Portico. Portico ist ein Dienst der Non-Profit-Einrichtung ITHAKA und einer von mehreren Archivierungsdiensten und -organisationen mit Ausrichtung auf Textpublikationen. Weitere sind z. B. CLOCKSS und das Global LOCKSS Network.

Portico positioniert sich zwischen den Verlagen und den Bibliotheken: Mit den Verlagen vereinbart Portico die Übergabe von Kopien der Verlags-Publikationen an das Portico Dark Archive und klärt alle relevanten Rechtsfragen. Portico übernimmt dann unter anderem die Datenverwaltung, den Erhalt der Publikationen im eigenen Dark Archive und die Bereitstellung unter bestimmten Bedingungen. Als Dark Archive ist es außerdem nicht einfach von außen zugänglich, sodass Verlage unter normalen Bedingungen weiterhin die E-Journals und E-Books auf ihren eigenen Portalen für Kunden anbieten können und ihr Geschäftsmodell nicht gefährdet wird. Auf der anderen Seite stehen die Bibliotheken, die bei Portico (kostenpflichtig) teilnehmen können. Sobald ein Trigger Event auftritt und die Publikation nicht mehr über die Verlagsseiten zugänglich ist, kann die Bibliothek stattdessen auf die relevante Veröffentlichung über Portico zugreifen.

Zugriff auf Publikationen im Portico-Archiv

Bei Zugriff auf Publikationen über Portico lässt sich zwischen Open-Access- und Closed-Access-Publikationen unterscheiden. Open-Access-Publikationen bleiben nach einem Trigger Event Open Access und uneingeschränkt zugänglich, allerdings dann über Portico anstatt die Verlagswebseite. Closed-Access-Publikationen, also lizenzierte Inhalte, sind nach dem Trigger Event generell nur zugänglich für Bibliotheken, die an Portico teilnehmen. Der Zugang wird dann über IP-Adressen geregelt. Alle an Portico teilnehmenden Verlage machen ihre Closed-Access-Inhalte, die sie Portico zur Verfügung stellen und denen ein Trigger-Event zugrunde liegt, auch allen an Portico teilnehmenden Bibliotheken zugänglich. Dabei ist nicht relevant, welche Titel bei welchem Verlag die Bibliothek vorher lizenziert hatte.

Post Cancellation Access (PCA)/Perpetual Access über Portico

Post Cancellation Access (PCA) ist eine Zugangsmöglichkeit, die Portico ebenfalls erlaubt. In dem Fall ist wiederum relevant, was die Bibliothek konkret lizenziert hat. Beispielsweise gibt es den Fall, dass eine Bibliothek ein E-Journal und damit Zugang zu den Artikeln lizenziert hat, bestellt das Journal aber nach drei Jahren ab. Dann passiert es oft, dass sowohl der Zugang zu den neuen Publikationen als auch zu den ehemals lizenzierten der vergangenen drei Jahre wegfällt. Portico dagegen ermöglicht den Zugang zu ehemals lizenzierten Inhalten als PCA über die Portico-Plattform. Bedingung dafür ist, dass der Verlag Portico-Teilnehmer ist, PCA anbietet und die entsprechende Bibliothek an Portico teilnimmt. Dieser Zugang muss dann bei Portico durch die Bibliothek einzeln beantragt werden und ist auch spezifisch für die eine Bibliothek und den ehemals lizenzierten Umfang. Diese Einschränkung hat den Grund, dass in diesem Fall kein Trigger Event stattgefunden hat. Denn diese Verlagspublikationen sind auch weiterhin auf den Verlagsseiten verfügbar und für andere Bibliotheken lizenzierbar.

Durch die Teilnahme an Portico hat ZB MED die Möglichkeit, Nutzer:innen Veröffentlichungen zur Verfügung zu stellen, die außerhalb von Portico nicht mehr oder nur noch über Post Cancellation Access zu erhalten sind.

Weitere Informationen

https://www.publisso.de/digitale-langzeitarchivierung/

Kirchhoff, A. J. (2009) „Expanding the Preservation Network: Lessons from Portico.“ Library Trends 2009; 57(3): 476-489  https://doi.org/10.1353/lib.0.0048.

Schäffler (2017) Nationales Hostingkonzept: Bundesweiter Konsortialabschluss mit Portico. ABI Technik 2017; 37(2): 146-149 https://doi.org/10.1515/abitech-2017-0031 Weber und Dähne (2016) Governance als Grundlage für Nationales Hosting von digitalen Verlagspublikationen. ABI Technik 2016; 36(1): 33–41 https://doi.org/10.1515/abitech-2016-0003

DOI (Digitalausgabe): https://doi.org/10.48664/91eh-eq21 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Christine

    Danke für eure Arbeit. Ich finde diesen Artikel wirklich informativ und habe ihn mit Spannung gelesen.
    Macht weiter so.

    1. Alexandra Streck

      Vielen lieben Dank. Das freut uns sehr!

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